Welcome Music Workshop: Trans-traditionelle Musik als dekoloniale Praxis

14/05/2024

Vom Entweder-Oder zum Sowohl-als-Auch: Trans-traditionelle Musik als dekoloniale Praxis

Welcome Music Workshop mit Cymin Samawatie | 01. Juni | 11:00 Uhr bis 16:00 Uhr | Zinnschmelze

Unsere kulturellen Paradigmen und künstlerischen Ausdrucksformen sind durch Jahrhunderte kolonialer Denkmuster geprägt. In Westeuropa gilt vor allem die Musik weißer Euopäer*innen als Klassik, andere Musik oft als minderwertig.

Komponistin Cymin Samawatie hinterfragt diese Denkmuster, denkt als Co-Leiterin des Trickster Orchestra Musik außerhalb eurozentrischer Perspektiven und zeigt in diesem Workshop, wie das Thema mit dem eigenen Instrument erarbeitet werden kann.

Workshop Kosten: 10 Euro

Meldet euch bitte bei Yannika per Mail an: info@welcome-music-session.org

Wir danken der deutschen Postcode Lotterie für ihre Unterstützung!

Über Dekolonisierung in der Musik

Dekolonisierung bedeutet die Rückgabe von Land und Leben der Indigenen; sie ist keine Metapher für andere Dinge. So schrieben es zu Beginn der wissenschaftliche Dekolonisierungsdebatte Eve Tuck und K. Wayne Yang.

Doch so wichtig ihr Einwand ist: Auch unsere kulturellen Paradigmen und künstlerischen Ausdrucksformen sind durch Jahrhunderte kolonialer Denkmuster geprägt. Für das Berliner Trickster Orchestra bedeutet Dekolonisierung daher, mannigfaltige globale Musiktraditionen und Perspektiven in die ästhetische Suche nach einer zeitgenössischen Klangsprache einzubeziehen, um fortbestehende koloniale Machtverhältnisse in der Musik aufzubrechen.

Neben strukturellen und politischen Fragen betrifft das vor allem den innersten Kern der Ensemblearbeit: die Proben, die Erarbeitungsmethoden und Besetzungen, die Repertoires und Aufführungspraxen. Diese Ansätze fließen in die trans-traditionelle Musik des Orchesters, das in Deutschland beispiellos an der Erarbeitung dekolonialer Klangsprachen arbeitet.

Für Cymin Samawatie steht dabei im Zentrum, Musik außerhalb eurozentrischer Paradigmen zu denken. Nicht-europäische Wege der Welterfahrung und des musikalischen Ausdrucks werden dabei als gleichrangig anerkannt – das zugrunde liegende Paradigma formuliert einen Prozess, in dem alle voneinander anstatt übereinander lernen.

Wenn nicht nur zwei, sondern dutzende Vertreter*innen verschiedenster Musiktraditionen zu solch einem Prozess zusammenkommen, um gemeinsam eine dekoloniale Form zeitgenössischer Musik zu erarbeiten, geschieht ein komplexer Prozess neuer Verknüpfungen.

Über den Workshop

Im Workshop lädt Cymin Samawatie dazu ein, gemeinsam über die Potenziale und Hürden solch dekolonialer Musikpraxis nachzudenken: Wie spiele ich mich als Musiker*in mit Leichtigkeit und Sicherheit aus meiner Komfortzone heraus? Wie kann ich den Anspruch exzellente Musik zu spielen damit verbinden, mich im kollektiven Prozess etwas völlig Neuem und Ungewohntem zu öffnen? Wie gestaltet sich in dekolonialer Musik das Verhältnis von zuhören und gehört werden? Und: Braucht dekoloniale Musik einen vollkommen hierarchie- und regelfreien Raum?

In Zusammenführung kulturtheoretischer Ansätze und praktischer Ensembleerfahrung gibt Cymin Samawatie Einblicke in Übungen und Techniken, die sich in der Arbeit des Trickster Orchestra bewährt haben und die Impulse für die Entwicklung der individuellen musikalischen Identität und einer dekolonialen Sensibilität liefern können. Dabei wird im Mittelpunkt stehen, wie Dekolonisierung das Verhältnis von Improvisation und Komposition neu ausrichtet, inwiefern Chaos produktiv sein kann, inwiefern dynamische Stille bereichernd sein kann und wie der solistische Klang in Beziehung zum dekolonial gedachten orchestralen Klangkörper steht.

Über Cymin Samawatie

Cymin Samawatie ist Sängerin, Pianistin, Dirigentin und Komponistin der zeitgenössischen Musik. Sie studierte klassisches Schlagwerk, Klavier und Gesang an der Hochschule für Musik und Theater Hannover sowie Jazzgesang an der Universität der Künste Berlin.

2002 gründete sie das Quartett Cyminology, in dem sie persische Lyrik mit zeitgenössischem Kammerjazz vereint. 2013 rief sie gemeinsam mit Ketan Bhatti das Trickster Orchestra ins Leben, mit dem sie eine neue Form der zeitgenössischen Kunstmusik als Ausdruck einer diversen Gesellschaft vorstellen.

Cymin Samawatie hat u.a. Werke für Projekte der Berliner Philharmoniker, die Neuköllner Oper, die Komische Oper Berlin, Elbphilharmonie Hamburg, Aalto-Theater Essen, Ensemble Reflektor, Stadttheater Giessen und Theater Aachen komponiert und dirigiert.

Ihr künstlerisches Wirken wurde jüngst mit dem Deutschen Jazzpreis, dem Jazzpreis Berlin, dem TONALi Award und dem Deutschen Musikautor*innenpreis ausgezeichnet.
Sie war Stipendiatin an der Kulturakademie Tarabya. Seit 2009 erscheinen ihre Tonträger beim Label ECM Records.

Welcome Music Workshop Dekoloniale Praxis

***ENGLISH***

Our cultural paradigms and artistic expressions have been shaped by centuries of colonial thought patterns. In Western Europe, the music of white Europeans is primarily regarded as classical, while other music is often considered inferior.

Composer Cymin Samawatie challenges these thought patterns and, as co-leader of the Trickster Orchestra, explores music from non-Eurocentric perspectives.

Workshop admission fee: 10 Euro

Please register in advance: info@welcome-music-session.org

On Decolonization in Music

Decolonization entails the return of land and life to Indigenous peoples; it is not a metaphor for other things, as Eve Tuck and K. Wayne Yang noted at the onset of the academic decolonization debate.

Yet, as important as their point is, our cultural paradigms and artistic expressions have also been influenced by centuries of colonial thought patterns. For the Berlin Trickster Orchestra, decolonization means incorporating diverse global music traditions and perspectives into the aesthetic quest for a contemporary musical language, aiming to dismantle lingering colonial power dynamics in music.

This approach extends to the core of ensemble work: rehearsals, methods of composition, personnel, repertoires, and performance practices. These approaches inform the orchestra’s trans-traditional music, which in Germany is unparalleled in its pursuit of decolonial musical languages.

For Cymin Samawatie, the focus lies in contemplating music outside Eurocentric paradigms. Non-European ways of experiencing the world and expressing music are recognized as equal—underlying this paradigm is a process where all learn from each other instead of about each other.

When not just two, but dozens of representatives from various musical traditions come together for such a process to jointly develop a decolonial form of contemporary music, a complex process of new connections occurs.

About the Workshop

In the workshop, Cymin Samawatie invites participants to collectively reflect on the potentials and hurdles of such decolonial musical practice: How can musicians play with ease and confidence outside their comfort zones? How can the pursuit of playing excellent music be combined with opening oneself to something entirely new and unfamiliar in a collective process? How does the relationship between listening and being heard manifest in decolonial music? And does decolonial music require a completely hierarchy- and rule-free space?

By merging cultural theoretical approaches with practical ensemble experience, Cymin Samawatie provides insights into exercises and techniques that have proven effective in the work of the Trickster Orchestra and can provide impetus for the development of individual musical identities and decolonial sensibilities. The focus will be on how decolonization reframes the relationship between improvisation and composition, how chaos can be productive, how dynamic silence can be enriching, and how soloistic sound relates to the orchestral sound body conceived in a decolonial context.

About Cymin Samawatie

Cymin Samawatie is a singer, pianist, conductor, and composer of contemporary music. She studied classical percussion, piano, and singing at the Hochschule für Musik und Theater Hannover, as well as jazz singing at the Universität der Künste Berlin.

In 2002, she founded the quartet Cyminology, which combines Persian poetry with contemporary chamber jazz. In 2013, together with Ketan Bhatti, she founded the Trickster Orchestra, presenting a new form of contemporary art music as an expression of a diverse society.

Cymin Samawatie has composed and conducted works for projects with the Berlin Philharmonic, Neuköllner Oper, Komische Oper Berlin, Elbphilharmonie Hamburg, Aalto-Theater Essen, Ensemble Reflektor, Stadttheater Giessen, and Theater Aachen, among others.

Her artistic work has recently been recognized with the German Jazz Award, the Jazz Award Berlin, the TONALi Award, and the German Music Authors‘ Award. She was a fellow at the Kulturakademie Tarabya. Since 2009, her recordings have been released by the ECM Records label.